folgende zusammenfassung einer rezenten VfGH entscheidung habe ich eben von RA Helmut Graupner ( http://www.graupner.at ) bekommen:
Fernmeldegeheimnis
VfGH: Polizei darf IP-Adressen ohne Gerichtsbeschluss ermitteln
Der Verfassungsgerichtshof hat in einer soeben veröffentlichten richtungweisenden Entscheidung das
Fernmeldegeheimnis sehr eng ausgelegt. Es schĂĽtze nur Inhaltsdaten, nicht aber Verkehrsdaten (Verbindungsdaten).
Einen Gerichtsbeschluss zur Ermittlung von IP-Adressen und anderen Verkehrsdaten benötige die Polizei daher nicht.
Der BeschwerdefĂĽhrer hatte in einem (geschlossenen) Chat mit einem anderen Internetuser die Begehung eines schweren
Verbrechens vorgetäuscht. Der Chatpartner nahm seine Angaben ernst und informierte die Kriminalpolizei. Die Anzeige
erfolgte an einem Mittwoch um 19.50. 16 Stunden danach, am nächsten Tag um 11.50 Mittag, begannen die Kriminalbeamten mit den Ermittlungen und verlangten vom Chatbetreiber die Herausgabe der IP-Adresse, mit der der Beschwerdeführer (unter einem Nicknamen) gechattet hatte. Einen (zumindest mündlichen) richterlichen Beschluss holten sie nicht ein und mussten das seit einer 2009 erlassenen Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) auch nicht mehr.
Der BeschwerdefĂĽhrer wurde ausgeforscht und wandte sich an die Datenschutzkommission. Er beschwerte sich dabei nicht
über seine Ausforschung, die angesichts seiner Vortäuschung eines schweren Verbrechens unbestritten notwendig, ja
sogar geboten war. WorĂĽber er sich beschwert hatte, war, dass seine IP-Adresse ohne Gerichtsbeschluss ausgeforscht
worden war. Er machte die Verfassungswidrigkeit des neuen § 53 Absatz 3a SPG geltend, der die Polizei zur
Ausforschung ohne Gerichtsbreschluss ermächtigt hat, weil Art. 10a des Staatsgrundgesetzes bestimmt, dass das
Fernmeldegeheimnis unverletzlich ist und Ausnahmen "nur auf Grund eines richterlichen Befehls in Gemäßheit
bestehender Gesetze zulässig" sind.
Die Datenschutzkommission hatte die Beschwerde abgewiesen, und der Verfassungsgerichtshof hat diese Abweisung nun
bestätigt (VfGH 29.06.2012, B 1031/11). Das verfassungsgesetzliche Fernmeldegeheimnis schütze nur den Inhalt von
Kommunikation (Inhaltsdaten), also was kommuniziert wird, nicht aber die Verkehrsdaten (Verbindungsdaten), also wer
mit wem wann wie lange und ĂĽber welche technischen Wege kommuniziert (hat) (Rz 21, 31). Der Gesetzgeber durfte daher die Betreiber zur Auskunft bloĂź gegenĂĽber der Polizei (ohne GerichtsbeschluĂź) verpflichten.
In der Auskunftsverpflichtung liege zwar ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf
Datenschutz (§ 1 Datenschutzgesetz, Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention), beide Bestimmungen verlangen aber, anders als Art. 10a Staatsgrundgesetz (Fernmeldegeheimnis), keinen richterlichen Beschluß. Und die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Ausforschung an sich standen ausser Diskussion.
In dieser Entscheidung sprach der Verfassungsgerichtshof auch aus, dass selbst Inhalte von Kommunikation in
Chaträumen dann nicht dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, wenn diese Chaträume (grundsätzlich) für jeden User (ohne
Zugangskontrolle) zugänglich sind (offene Chaträume) oder wenn einer der Chatpartner Nachrichten aus einem
vertraulichen (geschlossenen) Prtivat-Chat der Polizei zugänglich macht (Rz 7, 20, 27).
In einem zweiten Erkenntnis vom selben Tag (VfGH 29.06.2012, G 7/12) haben die Verfassungsgrichter eigene Bedenken
gegen die in der StPO festgelegte 60jährige Datenspeicherung (auch bei Freisprüchen und Einstellungen (§ 75 Abs. 3
StPO) wieder verworfen. Das Gesetz könne verfassungskonform angewendet werden, sodass eine Datenlöschung auch schon vor Ablauf der 60 Jahre (nach Verurteilung, Vollzug der Strafe, Freispruch oder Einstellung) erfolgen und je nach den
Umständen des jeweiligen Falles auch schon unmittelbar nach dem Freispruch oder der Einstellung verpflichtend sein
kann.
siehe auch http://www.vfgh.at/
http://www.vfgh.at/cms/vfgh-site/attach ... 031-11.pdf
und weitere entscheidung zu datenschutz: http://www.vfgh.at/cms/vfgh-site/attach ... _g7-12.pdf